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Fahrerflucht, Urteil AG Dortmund

Fahrerflucht – Grundsätzliches:

Der Vorwurf der sog „Fahrerflucht“ oder auch „Unfallflucht“ bedeutet den rechtlichen Vorwurf des § 142 StGB, nämlich das unerlaubte Entfernen von der Unfallstelle. Die Fahrerflucht ist ein häufig vorliegender Vorwurf in Ermittlungs- oder Strafverfahren. Häufig lässt sich die Frage der Schuld und der Bestrafung bei einer Fahrerflucht, wie auch in diesem Falle, nicht ohne einen Sachverständige klären. Zwei Fragen müssen vom Sachverständigen in der Regel bei einer Fahrerflucht, wie auch in diesem Falle, geklärt werden:

Sind die Schäden am beschädigten Fahrzeug oder am sonstigen beschädigten Gegenstand vom Fahrzeug der Beschuldigten verursacht worden?
Hat die Beschuldigte den Anstoß bemerkt oder hätte sie ihn bemerken können/müssen?

Die polizeilichen Feststellungen und deren Dokumentation sind -wie auch in diesem Fall- häufig sehr unzureichend für den Nachweis einer Fahrerflucht. Gleichwohl kommt es zu einer Anklage oder einem Strafbefehl. In einer solchen Situation kann Ihnen mit einer guten Verteidigung geholfen werden.

Der Vorwurf der Fahrerflucht (des unerlaubten Entfernens vom Unfallort) setzt in der Regel voraus, dass tatsächlich ein Schaden in einer bestimmten Höhe entstanden ist. Das Gericht und ggfs. ein vom Gericht zu beauftragender Sachverständiger haben deswegen teilweise Angaben dazu zu machen, wie hoch die Reparaturkosten sind, eventuell unter Berücksichtigung vorhandener Vorschäden.
Entscheidend ist daher stets, inwiefern dem Beschuldigten und späteren Angeklagten nachgewiesen werden kann, inwiefern er Kenntnis vom Unfall hatte und sich gleichwohl vom Unfallort entfernt hat.

 

Fahrerflucht – Wahrnehmbarkeit des Unfalls:

Die Wahrnehmbarkeit von häufig lediglich leichten Fahrzeugkollisionen ist daher im Rahmen des Vorwurfs der Fahrerflucht unter drei Gesichtspunkten zu beurteilen:

 

  1. visuelle Wahrnehmbarkeit (hat der Fahrer den Unfall und den von ihm verursachten Schaden gesehen?)
  2. akustische Wahrnehmbarkeit (hat der Fahrer den Unfall und den von ihm verursachten Schaden gehört?)
  3. taktile Wahrnehmbarkeit (hat der Fahrer den Unfall und den von ihm verursachten Schaden gespürt oder gefühlt?)

 

zu 1.:

Die visuelle Wahrnehmbarkeit des Angeklagten ist z. B. danach zu beurteilen, ob der Anstoß im Blickfeld des Fahrers lag, ob der Anstoß optisch auffällig war, etwa durch ein Wanken (Wackeln) des angestoßenen Fahrzeugs, oder in anderer Form erkennbar war. Die optische Wahrnehmbarkeit ist sehr subjektiv und hängt auch von den Licht- und Witterungsfähigkeiten und der Wahrnehmungsfähigkeit des Fahrers ab.

zu 2.:

Für die akustische Wahrnehmbarkeit spielen eine Reihe von Einflussgrößen eine Rolle, wie z. B. Umgebungsgeräusche, z. B. durch den Motor oder den Verkehr, Radio, schreiende Kinder, … .
Erheblich ist für den Nachweis einer Fahrerflucht ferner, welche Fahrzeugteile berührt wurden, welche zerbrachen oder zerplatzten, z. B. Abdeckungen von Scheinwerfern, etc. … .
Problematisch kann auch sein, inwiefern sich ein Zeuge, der einen Anstoß hört, außerhalb von Fahrzeugen oder in einem Fahrzeug befindet? Außerhalb von Fahrzeugen eines Pkw sind Anstoßgeräusche häufig lauter wahrnehmbar als in einem Fahrzeug.

zu 3.:
Am Wichtigsten ist häufig zum Nachweis einer Fahrerflucht die Beurteilung der taktilen Wahrnehmbarkeit, d. h. in technischer Hinsicht die Wahrnehmung der Verzögerung durch den Anstoß bzw. die Wahrnehmung des Anstiegs der Verzögerung, der sogenannte Ruck, was also der Fahrer spüren oder fühlen konnte. Auch hier spielen eine Reihe von Einflussgrößen zum Nachweis einer Fahrerflucht eine Rolle, nämlich erneut die an der Kollision beteiligten Teile beider Fahrzeuge, wobei es im Allgemeinen auf das leichter verformbare Teil ankommt, der Anstoßwinkel, die
Anstoßgeschwindigkeit, etc. … . Berührungen zwischen Stoßstangen, die nicht ausgesprochen streifend erfolgen, dürften im Zweifel immer als Anstoß bemerkbar sein.

 

Fahrerflucht – im konkreten Fall:

Im konkreten Fall wurde der Vorwurf der Fahrerflucht gegen die Fahrerin erhoben, weil ein Zeuge der Auffassung war, einen Pkw auf eine nicht unerhebliche Entfernung gesehen zu haben, der gegen einen Schaltkasten an einer Unterführung fuhr und diesen beschädigte. Der Zeuge wurde jedoch erst auf den -vermeintlichen- Unfall aufmerksam, als er ein Geräusch hörte.

RA Reissenberger hat gegen den erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt und in der Strafverhandlung wurde die Einholung eines Gutachtens beantragt. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige stellte fest, dass keine korrespondierenden Schäden zwischen Schaltkasten und Pkw nachweisbar seien, so dass die Angeklagte vom Vorwurf der Fahrerflucht freizusprechen war. Ein weiterer Fall der Fahrerflucht sowie etwas verschärft mit den wiederholten Anträgen auf Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vor den Amtsgerichten Hamm, Bochum, Essen und Dortmund finden Sie ebenfalls auf diesen Seiten.

 

Fahrerflucht – Strafbefehlsverfahren:

„Amtsgericht
Dortmund, 25.03.2014

Geschäfts-Nr.: 724 Cs 268 Js 24/14

Strafbefehl

 

gegen Frau … geborene …, geschieden

geboren am … in Dortmund,

Staatsangehörigkeit: deutsch

wohnhaft …, …Dortmund

Verteidiger/in: Rechtsanwalt Sven Reissenberger, Ostenhellweg 53, 44135 Dortmund

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dortmund wird gegen Sie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort – Vergehen nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ‑ eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 Euro (= 900,00 Euro) festgesetzt.

Ihnen wird gestattet, die erkannte Geldstrafe in monatlichen Raten in Höhe von 100,00 Euro, beginnend einen Monat nach Zugang der Zahlungsaufforderung, zu zahlen. Geraten Sie mit einer Rate in Rückstand, wird der gesamte Restbetrag sofort fällig. Gemäß § 465 StPO werden Ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Sie, am 04.12.2013 in Dortmund sich als Unfallbeteiligte nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt zu haben, bevor Sie zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung Ihrer Person, Ihres Fahrzeugs und der Art Ihrer Beteiligung durch Ihre Anwesenheit und durch die Angabe, dass Sie an dem Unfall beteiligt waren, ermöglicht hatten.

Ihnen wird Folgendes zur Last gelegt:
Sie befuhren am 04.12.2013 gegen 18:30 Uhr mit einem Personenkraftwagen der Marke … mit dem Kennzeichen DO- … unter anderem den Kreuzungsbereich … Straße / …-Straße. Infolge Unachtsamkeit beim Rückwärtssetzen verursachten Sie einen Verkehrsunfall, bei dem ein Fremdschaden in Höhe von ca. 4.000,00 Euro entstand. Obwohl Sie den Unfall bemerkten, entfernten Sie sich mit dem Fahrzeug von der Unfallstelle, ohne zuvor die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.
Als Beweismittel hat die Staatsanwaltschaft bezeichnet: -.
I. Ihre Einlassung

II. Zeugen:
…, …

III. Urkunde/n:
Schreiben der … bzgl. der Schadenshöhe Bl. 15

IV. Lichtbilder Bl. 7-9 der Akte Rechtsbehelfsbelehrung: … “

 

 

Fahrerflucht – Urteil mit Freispruch:

„Ausfertigung

724 Cs-268 Js 24/14-99/14

 

Amtsgericht Dortmund

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In der Strafsache
gegen … geborene …,
geboren am …,
wohnhaft …, … Dortmund,
deutsche Staatsangehörige
wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort
hat das Amtsgericht Dortmund
aufgrund der Hauptverhandlung vom 25.03.2015,
an der teilgenommen haben:
Richterin am Amtsgericht …
als Richterin
Referendar …
als Vertreter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt Reissenberger aus Dortmund
als Verteidiger der Angeklagten …
Justizsekretärin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Die Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gründe (abgekürzt gemäß § 267 Abs. 5 StPO)
Die Angeklagte war freizusprechen, weil die ihr zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen Gründen nicht festgestellt werden konnte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 464, 467 StPO.


Richterin am Amtsgericht“