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Rechtsmissbräuchlichkeit, Urteil

Rechtsmissbräuchlichkeit – Einleitung:

Die Rechtsmissbräuchlichkeit beim Eigenbedarf bzw. im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung ist weit verbreitet. Denn eine Eigenbedarfskündigung stellt eine der wenigen Möglichkeiten im Mietrecht dar, in welchen der Vermieter grundsätzlich im Vorteil ist. Man kann davon ausgehen, dass Mietrecht grundsätzlich Mieterschutzrecht bedeutet und lediglich in wenigen Fällen, unteranderem im Falle der Geltendmachung von Eigenbedarf, der Vermieter im Vorteil ist, wenn auch dem Mieter die Möglichkeit des Widerspruchs und der Vorbringen von Härtegründen ermöglich wird. Regelmäßig wird daher der Mieter unterliegen und der Vermieter mit seinem Eigenbedarf für sich oder nahe Angehörige durchdringen. Deshalb verfallen Vermieter häufig auf den unerlaubten und strafbewehrten Gedanken, Eigenbedarf vorzutäuschen, um einen Mieter loszuwerden. Dann wird die Rechtsmissbräuchlichkeit der Eigenbedarfskündigung relevant.

Häufig enden Räumungsklagen wegen einer Kündigung aufgrund von Eigenbedarf trotz des Verdachts der Rechtsmissbräuchlichkeit mit einem Räumungsvergleich, weil der Mieter dann im Laufe des Rechtsstreits doch noch eine andere adäquate Wohnung findet und dem Risiko eines Urteils ausweicht.

Rechtsmissbräuchlichkeit – der konkrete Fall:

Ich berichte heute von einem Fall vor dem Amtsgericht Dortmund, der nicht in einem Räumungsvergleich sondern mit einem klageabweisenden Urteil wegen Rechtsmissbräuchlichkeit endete. Denn die von uns vertretenen Mieter hatten den vorgegebenen Eigenbedarf angezweifelt und es nach einer Beweisaufnahme auf ein Urteil ankommen lassen, in welchem genau diese Rechtsmissbräuchlichkeit vom Amtsgericht festgestellt worden ist.

Rechtsmissbräuchlichkeit – das Urteil des Amtsgerichts Dortmund:

 

416 C 6344/21

Amtsgericht Dortmund 

IM NAMEN DES VOLKES 

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn …, Klägers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte … Dortmund,

gegen

1. Herrn … Dortmund,

2. Frau … Dortmund, Beklagten,

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwälte Sven Reissenberger, Schwanenwall 8 – 10, 44135 Dortmund,

hat das Amtsgericht Dortmund

auf die mündliche Verhandlung vom 30.03.2022 durch den Richter … für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Klägers,

Beklagten,

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Tatbestand (- Rechtsmissbräuchlichkeit):

Der Kläger begehrt die Räumung der von der Beklagten bewohnten Mietwohnung, um diese seiner Tochter zur Verfügung zu stellen.

 

(Ausgangslage – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Die Beklagten bewohnen in der … Straße … Dortmund eine Wohnung, deren Eigentümer der Kläger ist. 

Den Mietvertrag schlossen die Beklagten am 18.08.2010 mit den Eltern des Klägers, den damaligen Eigentümern der Immobilie. 

Die monatliche Gesamtmiete beträgt derzeit 805,55 € (= 555,55 € Grundmiete + 250,00 € Nebenkosten). 

Der Beklagte zu 1) ist 67 Jahre alt und mittlerweile in Rente. 

Die Beklagte zu 2) ist 59 Jahre alt, und mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehindert. 

Die Beklagte zu 2) ist weiterhin berufstätig.

Noch zu Lebzeiten schenkten die damaligen Vertragspartner der Beklagten dem Kläger das Grundeigentum …. In dieser Immobilie wohnen neben den Beklagten noch zwei weitere Mietparteien.

Der Kläger ist darüber hinaus Eigentümer weiterer Immobilien. So ist er unter anderem Eigentümer des Hotels „…“, … in …. Zudem ist er alleiniger Eigentümer der Immobilie … in …, bestehend aus zwei eigenständigen Wohn- bzw. Geschäftsflächen.

Die von den Beklagten bewohnte Wohnung in der …, dessen exakte Wohnfläche zwischen den Parteien umstritten ist, besteht mindestens aus einer Etage mit 3 Zimmern, eine Küche, einer Diele, einem Flur sowie einem Bad mit Dusche und WC. Die Wohnung wird über eine Terrasse betreten, die ebenfalls zur vermieteten Wohnung gehört. Diese Etage hat eine Wohnfläche von 111,11 qm.

In der Wohnung ist zudem eine zweite Etage mit einem weiteren größeren Zimmer sowie einem kleineren Raum vorhanden. Die zweite Etage misst eine Fläche von 58,04 qm. Die zweite Etage ist nur über eine Treppe aus der ersten Etage der Wohnung erreichbar. Der Mietvertrag, der zwischen den Beklagten und den Eltern des Klägers geschlossen wurde enthält die Passage:

„Mit vermietet wird die ungenutzte 2. Etage mit einem Raum und einem Bad (58,04 qm)“.

Diese zweite Etage wird von den Beklagten zum aktuellen Zeitpunkt ebenfalls bewohnt. Für weitere Einzelheiten wird auf den Mietvertrag verwiesen (Bl. 52f. d.A.).

(Vorgeschichte):

Im Jahr 2016 sprach der Kläger gegenüber den Beklagten erstmals die Kündigung des Mietverhältnisses unter der Geltendmachung von Eigenbedarf aus. Der Kläger beabsichtigte damals mit seiner Frau und seiner Tochter in die Wohnung der Beklagten einzuziehen. Dieser Kündigung haben die Beklagten widersprochen, woraufhin die Kündigung vom Kläger nicht weiterverfolgt wurde.

(früheres Mieterhöhungsverlangen):

Mit Schreiben des Klägers vom 29. Oktober 2019, vom 21. Januar 2020 sowie vom 5. November 2020 machte der Kläger gegenüber den Beklagten Mieterhöhungsverlangen geltend. Diese wurden von den Beklagten stets zurückgewiesen, sodass die Beklagten weiterhin die ursprünglich im Mietvertrag aus dem Jahr 2010 vereinbarte Miete zahlen. Der Kläger machte diese Mieterhöhungsverlangen auch gegenüber den weiteren Mietern in dem Objekt geltend. Sämtliche Mieter, mit Ausnahme der Beklagten, akzeptierten die vom Kläger geforderte Mieterhöhung.

(Eigenbedarf – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Die Tochter des Klägers, die Zeugin …, studiert seit dem Jahr 2015 Medizin in der Slowakei. Sie begann ihr Studium in Bratislava und wechselte im Jahr 2017 zunächst an die Universität in …, bevor sie schließlich erneut im Jahr 2019 zurück nach Bratislava wechselt, wo sie seitdem nunmehr bis zum heutigen Tag studiert und wohnhaft ist.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.05.2021 sprach der Kläger erneut die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum 31.12.2021 aus. Der Kläger führte in der Kündigung aus, dass der Eigenbedarf nunmehr zugunsten seiner Tochter geltend gemacht wird. Er gab an, dass seine Tochter ihn und seine Lebensgefährtin, die Mutter der Tochter Frau … …, nahezu jedes Wochenende besuchen und darüber hinaus die studienfreie Zeit in Deutschland verbringen würde. Hinzu käme, dass seine Tochter beabsichtige nur das Grundstudium in der Slowakei zu absolvieren, sodass ein dauerhafter Aufenthalt der Tochter in Dortmund noch im Jahr 2022 naheliegend sei. Für weitere Einzelheiten wird auf das Kündigungsschreiben vom 05.05.2021 (Bl. 14f. d.A.) verwiesen.

(Widerspruch – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Die Beklagten legten mit anwaltlichem Schreiben vom 09.06.2021 Widerspruch gegen die Kündigung wegen einer besonderen Härte ein. Mit weiterem Schreiben vom 08.07.2021 teilten die Beklagte mit, dass sie nicht freiwillig aus der Wohnung ausziehen werden.

(streitiger Vortrag Klägerseite):

Der Kläger behauptet, er benötige die von den Beklagten angemietete Wohnung für seine Tochter, die Zeugin …, da er ihr ermöglichen möchte einen eigenen Hausstand zu gründen. Seine Tochter besuche die Eltern nahezu jedes Wochenende und würde zudem die studienfreie Zeit bei ihren Eltern verbringen. Weiterhin behauptet der Kläger, dass die Tochter die streitgegenständliche Wohnung während dieser immer wieder stattfindenden Aufenthalte in Dortmund bzw. … nutzen will. Zudem beabsichtige die Tochter ihren Wohnsitz dauerhaft wieder nach Deutschland zu verlegen, da sie nur ihr Grundstudium in der Slowakei absolvieren möchte, wobei ein dauerhafter Aufenthalt zur Fortsetzung des Studiums in Deutschland daher noch zu Beginn des Jahres 2022 zu erwarten sei. Die Tochter habe eine konkrete Nutzungsabsicht in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung.

(Klageanträge):

Der Kläger beantragt,

Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die in der 1. Etage des Hauses … Straße Dortmund gelegene Eigentumswohnung mit einer Gesamtfläche von 110 qm mit Ablauf des 31.01.2022 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.

(streitiger Vortrag Beklagtenseite):

Die Beklagten behaupten, dass der Kläger und die Mutter der Zeugin …, Frau … … über umfangreichen freien Immobilienbesitz verfüge, in dem die Tochter anderweitig unterkommen könne. Zudem sind sie der Ansicht, dass die Kündigung bereits rechtsmissbräuchlich sei.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2022 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin …. In Bezug auf den Inhalt der Vernehmung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2022 (Bl. 213 d.A.) verwiesen. Zudem hat das Gericht sowohl den Kläger als auch die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2022 informatorisch angehört.

Entscheidungsgründe  (-Rechtsmissbräuchlichkeit):

Die zulässige Klage ist unbegründet.

(Kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.

Denn das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist nicht durch die Kündigung vom 05.05.2021 beendet worden, da die mit Eigenbedarf begründete und auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gestützte Kündigung unwirksam ist. Denn der Zugriff auf die Wohnung ist vorliegend aufgrund der Geltendmachung eines weit überhöhten Wohnbedarfs als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung des Mietvertrages führt dann nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses, wenn ein weit überhöhter Wohnbedarf geltend gemacht wird und dieser geltend gemachte Wohnbedarf daher als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist (vgl. BVerfG WuM 1989, 114, BGH, Urteil vom 4.3.2015 – VIII ZR 166/14). Eine solche Rechtsmissbräuchlichkeit ist im vorliegenden Fall nach Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls anzunehmen.

(Grundgesetzliche Situation – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Festzuhalten ist, dass der Vermieter durch Art. 14 I 1 GG grundsätzlich in seiner Freiheit geschützt wird, die Wohnung bei Eigenbedarf selbst zu nutzen oder durch privilegierte Angehörige, wie hier durch seine Tochter, nutzen zu lassen.

Dabei haben die Fachgerichte den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den eng gezogenen Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu achten und ihrer Rechtsfindung zu Grunde zu legen. Ebenso haben sie grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht. Die Gerichte sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters oder seiner Angehörigen zu setzen. Dem Vermieter wird daher im Hinblick auf die grundrechtlich verbürgte Eigentumsgewährleistung ein weiter Ermessensspielraum bei der Bedarfsbemessung eingeräumt, der erst überschritten ist, wenn der von ihm angemeldete Wohnbedarf weit überhöht und damit rechtsmissbräuchlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 4.3.2015 – VIII ZR 166/14).

(überhöhter Wohnbedarf – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Bei der Frage, ob ein weit überhöhter Wohnbedarf gegeben ist, hat das Gericht seine Entscheidung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen. Bei der Festlegung der Missbrauchsgrenze können neben der Wohnfläche und der Anzahl der Zimmer viele weitere Faktoren eine Rolle spielen. Zu beachten ist etwa der Zuschnitt und die Ausstattung der Wohnung sowie die Bedürfnisse der Bedarfsperson, ihr Lebensentwurf und ihre Lebensplanungen, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bedarfsperson und des (gegebenenfalls unterhaltspflichtigen) Vermieters. Weitere Kriterien sind die Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Höhe der von der Bedarfsperson zu zahlenden oder vom Vermieter erlassenen Miete sowie die Frage, ob die gekündigte Wohnung nur sporadisch genutzt werden soll. Von Bedeutung sein kann schließlich, ob auch der Mieter für seine eigene Nutzung einen großzügigen Maßstab angelegt hat (BGH, Urteil vom 4.3.2015 – VIII ZR 166/14).

Nach Durchführung der Beweisaufnahme und nach Abwägung der beiderseitigen Interessen steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Missbrauchsgrenze im vorliegenden Fall überschritten ist und von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist, der zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung führt.

(Wohnbedarf Tochter – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Denn der vom Kläger für seine Tochter angemeldete Wohnbedarf erscheint aus Sicht des Gerichtes mit Blick auf die konkreten Lebensverhältnisse und die beabsichtigte Nutzung der Wohnung weit übersetzt und bewegt sich nicht mehr innerhalb des dem Eigentümer großzügig zugebilligten Ermessensspielraums. Mit Blick auf die hier vorliegenden Umstände des konkreten Einzelfalls ist es als missbräuchlich anzusehen, dass der Kläger der Tochter eine Wohnung mit einer Gesamtfläche von insgesamt 169,15 qm bestehend aus vier Zimmern zur Verfügung stellen möchte. 

(Größe der Wohnung – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Zunächst geht das Gericht davon aus, dass die streitgegenständliche Wohnung, die von den Beklagten genutzt wird, insgesamt eine Wohnfläche von 169,15 qm besitzt, die sich über zwei Etagen erstreckt. Denn in dem Mietvertrag der zwischen den Parteien besteht, ist ausdrücklich neben der ersten Etage, mit einer Wohnfläche von 111,11 qm, auch die zweite Etage mit einer weiteren Wohnfläche von 58,04 qm mitvermietet und somit von der Kündigung des Klägers umfasst.

(169,15 qm):

Die zweite Etage, die von den Beklagten auch zum Wohnen genutzt wird, wurde im Mietvertrag als „ungenutzte 2.Etage“ bezeichnet. Dies führt nicht dazu, dass die Wohnfläche der gesamten vermieteten Wohnung nur 111,11 qm beträgt. Denn der Mietvertrag zeigt ausdrücklich auf, dass den Beklagten und somit im Fall des Bezugs der Wohnung durch die Zeugin … auch ihr, die zweite Etage in Gänze zur Verfügung steht. Aus dem Wortlaut des Mietvertrages ergibt sich gerade nicht, dass es den Beklagten als Mietern untersagt ist, diese Etage zu bewohnen oder zu nutzen. Andernfalls wäre die zweite Etage bereits nicht vom Mietvertrag umfasst gewesen oder aber es hätte einen ausdrückliche Regelung zum Umgang mit der zweiten Etage gegeben. Der Mietvertrag zeigt mit Blick auf den Sinn und Zweck der getroffenen Regelung jedoch vielmehr auf, dass die zweite Etage lediglich im Zeitpunkt der Vermietung zuvor ungenutzt war. Dies wird auch dadurch bekräftigt, dass die Beklagten die zweite Etage ebenfalls seit geraumer Zeit bewohnen und auch die Zeugin … aussagte, dass sie in der oberen Etage gegebenenfalls ein Büro einrichten würde.

Die Wohnfläche und die Anzahl der Zimmer sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für sich genommen nicht dazu geeignet bereits von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen (BGH, Urteil vom 4.3.2015 – VIII ZR 166/14). Das bloße Verweisen auf eine Quadratmeterzahl kann keine Rechtsmissbräuchlichkeit begründen. Die Tatsache, dass der Zeugin … eine 169,15 qm fassende Wohnung mit 4 Zimmern zur Verfügung gestellt werden soll, stellt jedoch einen mitentscheidenden Indikator dar, um feststellen zu können, ob diese für einen Einpersonenhaushalt äußert großzügige Fläche mit Blick auf die weiteren Umstände des Einzelfalls zur Annahme eines weit überhöhten Wohnbedarfs führt.

(Lebenssituation Tochter Studentin):

Für die Annahme eines solchen spricht zusätzlich die Lebenssituation der Zeugin …. Bei der Zeugin … handelt es sich um eine 27 jährige Medizinstudentin, die nach eigenen Angaben aktuell mittellos ist. Die Zeugin … gab in Ihrer Vernehmung glaubhaft an, dass sie aktuell über keine Einkünfte verfüge. Sie führte zudem aus, dass sie aktuell in der Slowakei in einer 100 qm großen Wohnung lebe, die sie im Wege einer Wohngemeinschaft mit einer weiteren Person bewohnt. Diese Wohnung werde insoweit von ihren Eltern finanziert. Bei den bisherigen Besuchen in … bzw. Dortmund käme sie bei ihren Eltern unter. All dies zeigt auf, dass die Zeugin … bisher nicht in ähnlichen Wohnverhältnissen gelebt oder sich an diese gewöhnt hat, welche nun von ihr und dem Kläger begehrt werden und dass die Zeugin … auch nicht aufgrund ihrer aktuellen beruflichen oder persönlichen Lebenssituation auf eine solch große Wohnung im besonderen Maße angewiesen ist. Auch wenn die Zeugin … angab, bereits jetzt in einer großen Wohnung zu leben, so sind die aktuellen Wohnverhältnisse nicht mit den vom Kläger und der Zeugin … begehrten Wohnsituation vergleichbar. Denn das Leben in einem Zweipersonenhaushalt mit einer Gesamtfläche von 100 qm ähnelt in keinster Weise dem Wohnen in einem Einpersonenhaushalt auf einer Wohnfläche von 169,15 qm mit vier eigenständigen Zimmern.

(frühere Eigenbedarfskündigung – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei der Eigenbedarfskündigung im Jahr 2016 die streitgegenständliche Wohnung zusammen mit der Mutter der Zeugin … und der Zeugin … selbst, also mit insgesamt drei Personen, beziehen wollte. Der Kläger hielt den angemeldeten Wohnbedarf im Jahr 2016 für drei Personen für ausreichend. Zudem lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass der Kläger zumindest zum damaligen Zeitpunkt die streitgegenständliche Wohnung in Bezug auf seine Bedürfnisse sowie derer seiner Familie für angemessen erachtete. Da es nicht darauf ankommt, was das Gericht für angemessen erachtet, sondern auf die Frage, welchen Bedarf der Eigentümer nach seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen für seine nahen Angehörigen als angemessen ansieht, kann das Gericht aus dem Verhalten des Klägers im Jahr 2016 zumindest den Schluss ziehen, dass die Wohnung auch aus Sicht des Klägers für einen Dreipersonenhaushalt geeignet erscheint und nicht zwingend von der Zeugin … alleine bewohnt werden muss.

(kein Bedarf – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Auch das weitere Verhalten des Klägers zeigt auf, dass auch er grundsätzlich der Ansicht ist, dass die Zeugin … eine so große Wohnfläche gar nicht benötigt. So führt der Kläger in dem Schriftsatz vom 31.01.2022 über seinen Prozessbevollmächtigten aus, dass er der Ansicht ist, dass sich ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von etwa 160 qm über zwei Etagen sicher nicht zur Aufnahme der Tochter als Einzelperson eignen würde. Auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass ein freistehendes Einfamilienhaus nicht mit der streitgegenständlichen Wohnung vergleichbar sei, so wurde dem Gericht zumindest verdeutlicht, welche Maßstäbe der Kläger an einen angemessen Wohnbedarf für eine Einzelperson stellt und dass der Kläger eine Gesamtwohnfläche von 160 qm grundsätzlich auch nicht als erforderlich erachtet, um seine Bedürfnisse und die der Zeugin … zu befriedigen. Auch diese Umstände hat das Gericht im Rahmen der Abwägung, ob von einer missbräuchlichen und somit wegen weit überhöhten Wohnbedarf treuwidrigen Kündigung auszugehen ist, beachtet.

(erfolglos mehrere Mieterhöhungsverlangen – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Hinzu kommt, dass der Kläger vorliegend erfolglos mehrere Mieterhöhungsverlangen gegenüber den Beklagten ausgesprochen hat und die Beklagten weiterhin für die Vierzimmerwohnung mit einer Gesamtfläche von 169,15 qm lediglich einen Nettomietbetrag von 555,00 € an den Kläger zahlen. Hier geht das Gericht davon aus, dass neben der Lage der Wohnung sowie die Nähe zu den Eltern und einer möglichen von der Zeugin … besuchten medizinischen Fakultät auch die Tatsache eine Rolle spielt, dass die Beklagten den Mieterhöhgungsverlangen bisher nicht zugestimmt haben und aktuell weiterhin eine für die Größe und Lage der Wohnung im Dortmunder Süden relativ geringe Miete zahlen. Dies führt dazu, dass die Wohnung der Beklagten aus Sicht des Gerichtes zumindest auch aus wirtschaftlichen Gründen ausgewählt wurde und nicht ausschließlich, weil der Kläger die konkrete streitgegenständliche Wohnung für seine Tochter im Sinne der Norm „benötigt“.

(nur geplante sporadische Nutzung – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Eine weiterer vom Gericht angenommener Umstand, der im Zusammenhang mit der Größe der Wohnung und den weiteren Gegebenheiten des Einzelfalls für die Annahme eines weit überhöhten Wohnbedarfs spricht liegt darin, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt aus Sicht des Gerichtes nur davon ausgegangen werden kann, dass die Vierzimmerwohnung lediglich sporadisch und nicht auch dauerhaft durch die Zeugin … genutzt werden würde.

Denn auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht nicht hinreichend davon überzeugt, dass die Zeugin … ihr Studium zwingend in Deutschland fortführen wird. Die Zeugin … bekräftigte zwar ihren Wunsch zukünftig in Deutschland studieren zu wollen. Es ist jedoch bisher nicht gesichert, dass sie ihr Studium auch tatsächlich in Deutschland fortsetzen wird. Das Gericht verkennt nicht, dass es sich bei einem Studium und dem sich daran anschließender Berufseinstieg um Lebensphasen handelt, deren Verlauf sich nicht immer zuverlässig planen lässt. Für die Frage des weit überhöhten Wohnbedarfs ist es jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Zeugin … bisher weder an einer Universität beworben hat und es darüber hinaus noch nicht hinreichend geklärt ist, ob eine zukünftige Bewerbung an einer deutschen Universität auch erfolgreich verlaufen wird. So gab die Zeugin in Ihrer Vernehmung an, dass sie ihr Studium gerne in Deutschland fortsetzen möchte. Weiterhin führte sie jedoch auch aus, dass sie trotz der aus ihrer Sicht guten Chancen auf eine Annahme an einer Universität nicht ausschließen könne, dass sie eine Absage erhalte, da man damit immer rechnen müsse. In Fall der Nichtannahme gab sie an, dass sie das Studium dann in der Slowakei fortsetzen müsste. Die Aussage der Zeugin … ist glaubhaft. Sie schilderte ihren gesamten Studienverlauf detailreich und logisch konsistent. Des Weiteren schilderte sie eigene psychische Vorgänge, indem sie angab, insbesondere während ihres Aufenthaltes in … gemerkt zu haben, dass sie die Slowakei gar nicht möge. Die Zeugin hat aus Sicht des Gerichtes widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargestellt, dass Sie Ihr Studium gerne zeitnah in Deutschland fortführen möchte.

(Kein dauerhafter Aufenthalt – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Anders als vom Kläger im Rahmen der Klage behauptet, ist ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland jedoch gerade nicht zu Beginn des Jahres 2022 zu erwarten. Vielmehr ist der tatsächliche dauerhafte Aufenthalt in Deutschland zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt weiterhin unklar. Auch über zehn Monate nach dem Ausspruch der Kündigung ist für das Gericht und die Parteien immer noch nicht ersichtlich, ob, wann und wo die Zeugin … ihr Studium in Deutschland fortsetzen wird.

Die Tatsache, dass auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abzusehen ist, ob die Zeugin … tatsächlich in Deutschland weiter studieren und ab welchem konkreten Zeitpunkt dies der Fall sein wird, führt zunächst nicht dazu, dass es bereits, wie von den Beklagten vorgetragen, an dem von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorausgesetzten Nutzungs-/Überlassungswille mangelt, der für die Annahme einer rechtmäßigen Eigenbedarfskündigung zwingend vorliegen muss. Wenn die Wohnung einem Angehörigen überlassen werden soll, bedarf es neben dem Überlassungswillen des Vermieters auch eines Nutzungswillen des Angehörigen. Der Nutzungs- und Überlassungswille muss bereits zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorhanden sein (vgl. Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 573 Rn. 63, 74). Von einem solchen Nutzungsinteresse der Zeugin … und einem Überlassungswille des Klägers geht das Gericht sowohl zum Zeitpunkt der Kündigung als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aus.

Denn der Kläger hat bereits im Kündigungsschreiben und zusätzlich in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass er die Wohnung seiner Tochter auch bereits für die Zeit zur Verfügung stellen will bzw. wollte, in der sie weiterhin in der Slowakei studiert. Denn der Kläger stützte die Eigenbedarfskündigung maßgeblich auf die Tatsache, dass sich die Zeugin … bereits während ihres Auslandsstudium regelmäßig in Deutschland aufhalte und ihre Eltern besucht und dass der Kläger die Wohnung der Zeugin … insbesondere zum Zweck der regelmäßigen Besuche zur Verfügung stellen möchte. Auch diese vom Kläger verfolgte Absicht stellt ein nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zulässiges und nachvollziehbares Überlassungsinteresse dar.

Die mögliche geplante Fortsetzung des Studiums war für den Kläger ausweislich des Kündigungsschreibens aus dem Mai 2021 lediglich ein weiterer Punkt, der zur Begründung des Eigenbedarfs herangezogen wurde. In Bezug auf die Zeugin … war zum Kündigungszeitpunkt im Mai 2021 noch nicht absehbar, wann genau ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland beabsichtigt wird. Der Kläger führte selbst aus, dass ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland im Jahr 2022 lediglich naheliegend sei und konkretisierte dies im gerichtlichen Verfahren sogar auf Anfang 2022. Ein konkreter Zeitpunkt, an dem die Zeugin … in jedem Fall dauerhaft in Deutschland studieren bzw. leben wird ist auch nach der mündlichen Verhandlung nicht ersichtlich. Die von der Zeugin glaubhaft dargestellte Tatsache, dass sie sich um einen Studienbeginn im Wintersemester 2022/2023 bemüht, genügt aus den oben genannten Gründen nicht, um von einem dauerhaften Aufenthalt im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf der Kündigungsfrist oder im Anschluss an die mündliche Verhandlung auszugehen.

(weit überhöhter Wohnbedarf – Rechtsmissbräuchlichkeit):

Auch wenn dies aus den oben aufgeführten Gründen nicht dazu führt, dass die Kündigung an einem fehlenden Nutzungs- bzw. Überlassungswillen scheitert, so führen die Angaben des Klägers in dem Kündigungsschreiben und der mündlichen Verhandlung sowie die Aussage der Zeugin … in Bezug auf ihre bisher nur beabsichtigte Fortführung des Studiums in Deutschland im Zusammenspiel und unter Abwägung der weiteren Kriterien jedoch zur Annahme eines weit überhöhten Wohnbedarfs. Denn soweit man darauf abstellt, dass die Zeugin … unabhängig ihres zukünftigen Studienortes, lediglich die vorlesungsfreie Zeit sowie einige Wochenenden in Deutschland zu regelmäßigen Besuchen verbringen und sich nicht dauerhaft in Deutschland aufhalten wird, ist davon auszugehen, dass dafür eine vier Zimmer umfassende Wohnung mit einer Gesamtfläche von 169,15 qm nicht ansatzweise erforderlich, sondern vielmehr für diese Zwecke als weit überhöht anzusehen ist.

Die vom Kläger und der Zeugin … geschilderte private Lebensplanung führt zudem nicht dazu, dass von einem zukünftigen Mehrpersonenhaushalt auszugehen ist, der bei der Frage nach einem weit überhöhten Wohnbedarf und der damit einhergehenden Interessenabwägung zu einem anderen Ergebnis führen würde. Denn dass die Tochter möglicherweise mit ihrem aktuellen Lebensgefährten zusammen in die streitgegenständliche Wohnung ziehen möchte ist vorliegend unbeachtlich und führt nicht dazu, dass mit Blick auf die Frage, ob ein weit überhöhter Wohnbedarf vorliegt, von einem Zweipersonenhaushalt auszugehen ist. Denn die Zeugin … hat bei Ihrer Vernehmung selbst glaubhaft ausgesagt, dass es bisher noch nicht spruchreif ist, ob ihr Freund mit in die Wohnung einzieht und es sich dabei lediglich um Überlegungen handelt. Reine Überlegungen ohne konkrete Planungen oder Absichten führen nicht dazu, dass das Gericht von einer weiteren Person im Haushalt der Zeugin … ausgehen kann.

Hinzu kommt, dass der Eigenbedarf im Kündigungsschreiben nicht auch mit dem Zusammenziehen des Freundes begründet wurde. Auch wenn der Name des Lebenspartners, der mit in die Wohnung einziehen soll im Kündigungsschreiben nicht genannt werden muss, so muss nach § 573 Abs. 3 BGB zumindest die Tatsache, dass eine weitere Person mit in die Wohnung ziehen soll mitgeteilt werden. Denn der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drs. 6/1549, 6 f. [zu § 564 a I 2 BGB aF]). Dies wird den Mietern nur ermöglicht, wenn ihnen klar ist, dass die streitgegenständliche Wohnung von mehreren Personen genutzt werden soll (vgl. auch BGH, Urteil vom 30.4.2014 – VIII ZR 284/13). Dass die Wohnung auch von dem Freund der Zeugin … mitbewohnt werden soll, wurde im Kündigungsschreiben nicht erwähnt und ist erstmals durch die Zeugin selbst in der mündlichen Verhandlung als reine Überlegung vorgetragen worden.

Auch ein Anspruch aus § 985 BGB besteht nicht, da die Beklagten durch den nicht beendeten Mietvertrag ein Recht zum Besitz an der streitgegenständlichen Wohnung haben.