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Pfaendungsfreigrenze zur Betreibung einer Arztpraxis, Beschluss LG Dortmund

Pfaendungsfreigrenze:

Es konnte eine hohe Pfaendungsfreigrenze zur Betreibung einer Arztpraxis im Rahmen einer Zwangsvollstreckung zum Schutz des Schuldners gegen die Gläubiger eingerichtet werden, Beschluss des LG Dortmund.

 

Einrichtung Pfaendungsfreigrenze – Voraussetzungen:

Eine hohe Pfaendungsfreigrenze zur Betreibung einer Arztpraxis kann nur dann eingeeichtet werden, wenn der Arzt darlegt und belegt, dass die Pfaendungsfreigrenze absolut nötig zur Betreibung der Arztpraxis ist und anderenfalls die Praxis geschlossen wird und ihre Angestellten ihre Arbeitsstelle verlieren. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Entscheidungstext. Die Entscheidung über die Einrichtung einer Pfaendungsfreigrenze ist auch deshalb so erheblich, weil die erste Instanz, also hier das Amtsgericht Dortmund gerade nicht bereit, einem Arzt eine hohe Pfaendungsfreigrenze einzuräumen. Es musste zur Einrichtung der Pfaendungsfreigrenze also das Landgericht Dortmund eingeschaltet werden, die dann die hohe Pfaendungsfreigrenze einrichtete. Das Landgericht hat dem Arzt konkret eine Pfaendungsfreigrenze von 20.673,57 € eingeräumt. Wegen dieser sehr hohen Pfaendungsfreigrenze gingen selbstverständlich sämtliche Zwangsvollstreckungsversuche der Gläubiger ins Leere.

 

Pfaendungsfreigrenze und Beschluss des LG Dortmund:

Das Landgericht leitet die Einrichtung einer Pfaendungsfreigrenze konkret an den dargelegten Tatsachen her. Das LG Dortmund stellte insoweit fest, dass die Festsetzung der Pfaendungsfreigrenze sich hier nach den §§ 850 f Abs. 1 b), 850 k ZPO richtet, weil es sich bei dem kassenärztlichen Honorar des selbständigen Arztes um wiederkehrende Einkünfte aus Arbeitseinkommen handelt (BGH NJW 1986, 2382; Stöber, Forderungspfändung, Rnd. 888). Für einen Antrag nach §§ 865 f, 850 k ZPO zur  Einrichtung einer Pfaendungsfreigrenze besteht hier auch ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis.

 

9 T 804/06

LG Dortmund

231 M 542/06

AG Dortmund

LANDGERICHT DORTMUND

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS

 

In der Zwangsvollstreckungssache
der …
Gläubigerin,
Verfahrensbevollmächtigte: … g e g e n

Dr. med. …, Dortmund,
Schuldner,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Sven Reissenberger, Ostenhellweg 53, 44135 Dortmund,

Drittschuldnerin:


hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund

auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 20.11.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 31.10.2006 durch die Richterin am Landgericht Elbert als Einzelrichterin am 02.02.2007 beschlossen:

 

I.

Der Beschluss vom 31.10.2006 wird abgeändert.
Auf den Antrag des Schuldners wird die Pfändung des Guthabens auf dem bei der … … innerhalb eines Monats überwiesenen Kassenhonorare bis zu einem Betrag von … € aufgehoben.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kostendes Beschwerdeverfahrens tragen die Gläubigerin zu 75 % und der Schuldner zu 22 %. Der Wert für des Beschwerdeverfahren wird auf 26.431‚83 € festgesetzt.

II.

Dem Schuldner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Reissenberger aus Dortmund bewilligt, soweit die Pfändung in Höhe von 20.673,57 €aufgehoben wurde. Soweit der Schuldner eine höhere Pfandfreigabe begehrte, wird der Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen.

 

Gründe (Beschluss LG Dortmund zur Pfaendungsfreigrenze):

I.

Der Schuldner ist Arzt und betreibt in Dortmund eine Praxis.

Die Gläubigerin ist die geschiedene Ehefrau des Schuldners. Sie betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Herford vom 16.08.2001 (14 F 357/00) in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 26.02.2004 (1 UF 196/01) wegen Unterhaltsforderungen.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 09.05.2006 wurde das Guthaben des Schuldners auf dem bei der Drittschuldnerin geführten Konto gepfändet. Auf dieses Konto werden monatlich die Abschlagszahlungen auf die Kassenhonorare von der … überwiesen.

Den pfändbaren Teil seiner kassenärztlichen Honorarforderungen hatte der Schuldner bereits am 24.01.1994 an die Drittschuldnerin zur Sicherung abgetreten.

Die Drittschuldnerin beließ jedoch in der Vergangenheit trotz der Abtretung dem Schuldner das sich aus den kassenärztlichen Honoraren ergebende Guthaben. Erst mit der Pfändung durch die Gläubigerin nahm die Drittschuldnerin ihre Recht aus der Abtretung in Anspruch.
Mit Schriftsatz vom 10.10.2006 beantragte der Schuldner beim Amtsgericht Dortmund Pfändungsschutz.

Zum Betrieb der Arztpraxis sei ein Betrag von 26.431,83 monatlich zwingend erforderlich. Dieser Betrag müsse von der Pfändung ausgenommen werden. Wegen der Berechnung des Pfändungsfreibetrages wird auf den Schriftsatz vom 10.10.2006 nebst Anlagen Bezug genommen.
Zudem beantragte der Schuldner die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Durch Beschluss vom 31.10.2006 wies das Amtsgericht den Pfändungsschutzanfrage mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurück. Wegen der Abtretung seien dem Schuldner ohnehin sämtlich Verfügungsmöglichkeiten über das Kontoguthaben genommen. Er sei allein vom „good will“ der Drittschuldnerin abhängig. Insoweit greife die Pfändung ins Leere, so dass auch kein Bedürfnis für einen Pfändungsschutzantrag bestehe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 20.11.2006 und beantragt Prozesskostenhilfe.

Das Amtsgericht hat die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss durch Beschluss vom 22.11.2006 bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde einstweilen eingestellt.
Im Beschwerdeverfahren hat der Schuldner ergänzend zu den praxisbedingten Aufwendungen Stellung genommen. Es wird wegen der Einzelheiten auf die Schriftsätze vom 20.12.2006 und 22.01.2007 nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gläubigerin wurde angehört. Sie hält den Antrag des Schuldners für mutwillig und unschlüssig. Der Schuldner erwirtschafte einen ausreichenden Gewinn zur Zahlung des Unterhalts. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 29.01.2007 Bezug genommen. Die gem. § 793 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet.
Die Festsetzung des pfändungsfreien Betrages richtet sich hier nach den §§ 850 f Abs. 1 b), 850 k ZPO, weil es sich bei dem kassenärztlichen Honorar des selbständigen Arztes um wiederkehrende Einkünfte aus Arbeitseinkommen handelt (BGH NJW 1986, 2382; Stöber, Forderungspfändung, Rnd. 888). Für einen Antrag nach §§ 865 f, 850 k ZPO besteht hier auch ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis.

Es ist zwar zutreffend, dass die Pfändung ins Leere geht, wenn aufgrund einer vorrangigen Abtretung ohnehin nur unpfändbare Teile des Arbeitseinkommens auf das gepfändete Konto überwiesen werden, so dass dann auch das Rechtsschutzbedürfnis für einen Pfändungsschutzantrag grundsätzlich zu verneinen wäre. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Drittschuldnerin von ihren Rechten aus dem Abtretungsvertrag in der Vergangenheit nicht in vollem Umfang Gebrauch gemacht hat und dem Schuldner das Kontoguthaben, das sich aus den Überweisungen der Kassenärztlichen Vereinigung ergeben hat, überlassen hat. Es wird insoweit auf die Auskunft des Steuerberaters des Schuldners vom 22.01.2007 verwiesen. Damit kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass auf dem Konto auch pfändbare Beträge eingehen. Geht es um den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, so darf das Rechtsschutzbedürfnis nur verneint werden, wenn feststeht, dass die zu pfändende Forderungen tatsächlich nicht besteht. Bestehen hingegen lediglich Zweifel an dem Bestehen der Forderungen, ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben (Stöber, Forderungspfändung, Rdn. 488). Genauso ist zu verfahren, wenn ein Antrag auf Festsetzung eines erhöhten Pfändungsfreibetrages gestellt wird. Gem. §§ 850 k, 850 f Abs. 1 b) ZPO kann dem Schuldner von seinem Arbeitseinkommen das als pfandfrei belassen, was er aus beruflichen Gründen dringend benötigt, wenn überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.
Bei der Bestimmung des pfändungsfreien Betrages sind die gewinnmindernden praxisbedingten Aufwendungen zur berücksichtigen (Stöber, Forderungspfändung, Rdn. 1178; von Glasow, Rechtspfleger 1987, 289), die der Schuldner glaubhaft zu machen hat.

Hier ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen und den Auskünften des Steuerberaters, die nachvollziehbar und plausibel sind, notwendige praxisbedingte Aufwendungen in Höhe von 20.073,57 €.

Es wurden dabei maßgeblich die Angaben zu den Vermögensverhältnissen im Jahr 2000 herangezogen. Die Bilanz aus dem Jahr 2003 wurde lediglich zur Plausibilitätsprüfung verwendet.

Diese praxisbedingten Aufwendungen berechnen sich wie folgt:
Löhne und Gehälter: 113.779,72 €

Raumkosten: 27.601,00 €

Energiekosten: 6.000,00 €

Telefon: 3.600,00 €

Literatur/Arbeitsmittel pp.: 6.800,00 €

Zins- und Tilgungsleistungen für laufende Praxiskredite: 21.000,00 €

Prämien für Versicherungen: 1.476,96 €

Steuerberater,
Buchführung pp.: 14.721,12 €

Steuervorauszahlungen: 59.304,00 €

Summe der Aufwendungen: 254.082,80 €

abzgl. Privatliquidationen: 6.000,00 €
248.082,00 €
+ 12 Monate = 20.673,57 €

Gegenüber der Aufstellung aus dem Schriftsatz vom 20.11.2006 ergeben sich folgende Abweichungen.

Die geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 5.000,00 € konnten nicht berücksichtigt werden, weil es dabei um eine Prognose handelt. Es ist nicht vorhersehbar, ob und in welcher Höhe Reparaturkosten anfallen. Diese müsste der Schuldner dann gesondert in einem Vollstreckungsschutzantrag geltend machen.

Die Höhe der Löhne und Gehälter sowie der Tilgungsleistungen wurde der Stellungnahme des Steuerberaters vom 19.12.2006 entnommen. Dort werden die Lohnkosten mit 113.779,72 € und die Tilgungsleistungen bei einer Umschuldung mit monatlich 1.750,00 €angegeben. Auch werden in der vom Steuerberater erstellten Auflistungen die Ausgaben für die Steuerberatung und Buchführung im Jahr 2006 geringer angegeben. So werden danach für die Steuerberatung monatlich 1.226,47 € aufgewendet.
Der Festsetzung eines pfändungsfreien Betrages in Höhe von 20.673,57 € stehen auch nicht die Gläubigerinteressen entgegen. Denn ohne die Freigabe dieses Betrages wird es dem Schuldner nicht möglich sein, seine Praxis fortzuführen. Die Chancen für die Realisierung der Unterhaltsforderungen würden sich dadurch noch weiter verschlechtern, so dass die Aufrechterhaltung des Praxisbetriebs auch im Interesse der Gläubigerin ist.

Die Festsetzung dieses Freibetrages hindert die Gläubigerin auch nicht an der Vollstreckung in den von dem Schuldner erwirtschafteten Gewinn, soweit dieser nicht von der Abtretung erfasst wird.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 3 ZPO, 48 GKG.

II.

Dem Schuldner war Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu bewilligen, soweit sein Pfändungsschutzantrag Erfolg hatte. Darüber hinaus hatte die Rechtsverfolgung keinen Erfolg, so das Prozesskostenhilfe insoweit zu versagen war.

Eibert