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Kaufrecht, Turbolader

Turbolader, Urteil AG Dortmund

Turbolader-Allgemeines:

Der Turbolader ist beim Pkw eine zentrale Komponente und häufiger Gegenstand des Streits zwischen Verkäufer und Käufer im Rahmen von Gewährleistungsansprüchen beim Autokauf. Überhaupt führt der Kauf eines Pkw häufig zu Streitigkeiten, so dass auf weitere von hieraus erwirke Urteile des Landgerichts Dortmund sowie des Oberlandesgerichts Hamm verwiesen werden kann.

Im nachstehend dargestellten Fall hatte das Amtsgericht Dortmund sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der Turbolader eines verkaufen gebrauchten Pkw einen Mangel aufwies und falls dies der Fall sei, ob dieser auch zum wichtigen Zeitpunkt des Gefahrübergangs vom Verkäufer auf den Käufer schon vorlag oder die Vermutung des § 477 BGB zugunsten des Käufers wirkte. Wenn alle diese Voraussetzungen vorgelegen hätten, hätte der Käufer ggfs. vom Kaufvertrag zurücktreten oder wie hier Schadensersatz verlangen können. Ein Turbolader ist jedoch anerkannter Maßen ein technisches Gerät mit einer begrenzten Lebensdauer, ein Verschleißteil. Hier musste das Gericht die schwierige Abgrenzung zwischen der rechtlichen Frage treffen, ob die zuvor genannten und dem Käufer günstigen Voraussetzungen vorlagen oder lediglich ein dem Verkäufer günstiger Verschleiß vorlag. Das Amtsgericht Dortmund kam unter Bezugnahme auf ein Urteil des BGH und einer von hieraus zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Friedberg, Urteil vom 24. April 2015, Aktenzeichen zwei C 1639/14  zu dem Ergebnis, der Turbolader unterliege dem Verschleiß und der Käufer hat trotz der Vermutung des § 477 BGB einen Mangel zu beweisen.

 

Turbolader- zum Urteil:

415 C 4489/21

 

Amtsgericht Dortmund
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn … ,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …,
Klägers,

gegen

die … Automobile, Inh. … Dortmund,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Sven Reissenberger, Schwanenwall 8 – 10, 44135 Dortmund,
hat das Amtsgericht Dortmund

auf die mündliche Verhandlung vom 12.01.2023 durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

Das Versäumnisurteil vom 16.12.2021 wird aufrecht erhalten.

Dem Kläger werden die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

 

Tatbestand (Turbolader):

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von Reparatur- und Abschleppkosten eines vom Kläger beim Beklagten gekauften Pkw.

Am 15.12.2020 kaufte der Kläger beim Beklagten einen VW Touran zum Preis von 4.650 Euro, der Kilometerstand betrug 155.473 km, zum Verkaufszeitpunkt war das Fahrzeug 14 Jahre alt. Dabei heißt es im zugrunde liegenden Vertragsdokument, dass das KFZ „unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung oder Garantie“ verkauft werde.

In der Folge legte der Kläger bis zum 16.05.2021 ca. 10.000 km mit dem Pkw zurück.

Am 17.05.2021 kontaktierte der Kläger den Beklagten sowohl telefonisch als auch schriftlich und teilte ihm mit, dass am Fahrzeug ein Schaden aufgetreten sei. Er forderte ihn auf, die aus seiner Sicht vorliegenden Mangel unter Fristsetzung zu beseitigen. Dies wurde vom Beklagten zurückgewiesen.

In der Folge ließ der Kläger das Fahrzeug bei der Firma R … reparieren, wobei der Turbolader ausgetauscht bzw. repariert wurde.

 

Der Kläger behauptet, dass am Fahrzeug am 16.05.2021 auf der A30 Nähe Osnabrück auf einer Autobahnfahrt ein Turboladerschaden auftrat und das Fahrzeug abgeschleppt werden musste.
Er behauptet weiter, der Turbolader sei kein Verschleißteil. Bei korrekter Behandlung halte dieser so lang wie der Motor.
Er behauptet, der Beklagte habe nicht das für einen Turbolader notwenige LongLife Motorenöl verwenden.
Er ist der Ansicht, die Vermutung des § 477 BGB führe dazu, dass der von ihm behauptete Mangel als schon bei Gefahrenübergang vorliegend zu betrachten sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2021 hat der Kläger ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.026,30 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2029 zu zahlen.

Mit Versäumnisurteil vom 16.12.2021 hat das Gericht auf Antrag der Beklagten nach Säumnis des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2021 Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen.

Hierauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.12.2021, bei Gericht eingegangen am 27.12.2021, Einspruch erhoben.

(Klageanträge Turbolader:)

Der Kläger beantragt nunmehr,
das Versäumnisurteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2026,30 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2029 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 17.12.2021 aufrecht zu erhalten.

Er behauptet, dass der Turbolader beim Kauf nicht mangelhaft war und dass er das korrekte Motoröl verwendet hat. Er ist der Ansicht, § 477 BGB sei wegen der Art des Mangels nicht anwendbar, da der Turbolader ein Verschleißteil sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F., P. und E. sowie durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachten durch den Sachverständigen B.

Eine Beweiserhebung unter Begutachtung des streitgegenständlichen Turboladers, wie von Klägerseite angeboten, konnte nicht durchgeführt werden, da der Turbolader nicht mehr auffindbar war.

Wegen der weiteren Details des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, inklusive des Videos des Turboladers, sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung samt Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe (Turbolader):

 

I.

Das klageabweisende Versäumnisurteil war aufrecht zu erhalten, denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Der vom Kläger mit Schriftsatz vom 22.12.2021 eingelegte Einspruch, eingegangen beim Gericht am 27.12.2021, gegen das Versäumnisurteil vom 16.12.2021 war binnen der Notfrist von zwei Wochen und damit fristgerecht.

 

II.

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Mängelgewährleistung gem. § 437 BGB gegen die Beklagte, denn er konnte einen Mangel des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs nicht beweisen.

 

1.

Die Gewährleistung ist nicht aufgrund der im Vertrag zu findenden Formulierung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob es sich AGB handelt oder nicht, denn aufgrund des hier vorliegenden Verbrauchsgüterkauf kann die Beklagte sich auf einen Gewährleistungsausschluss nicht berufen (vgl. BGH VIII ZR 215/10).

 

2.

Ein Anspruch auf Mängelgewährleistung besteht hier jedoch jedenfalls deshalb nicht, weil der Kläger einen Mangel am gekauften PKW nicht nachweisen konnte.

 

a.

Dabei ist zunächst anzuführen, dass §477 BGB, sowohl in der alten, als auch der aktuellen Fassung, keine Beweislastumkehr hinsichtlich des Vorliegens des Mangels beinhaltet, sondern vielmehr hinsichtlich des Zeitpunkts des Vorliegens des Mangels, soweit ein solcher Mangel gegeben ist. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels liegt beim Kläger. Diesen Beweis konnte der Kläger jedoch nicht führen.

 

b.

Nach Vernehmung der Zeugen E., F. und P. sowie nach Erstattung des mündlichen Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen B. in der mündlichen Verhandlung am 12.01.2023 konnte sich das Gericht zwar eine Überzeugung dahingehend bilden, dass das Fahrzeug binnen der sechsmonatigen Frist des § 477 BGB a. F. einen Defekt hatte. Bezüglich des Vorliegens eines Mangel am Fahrzeug jedoch vermochte sich eine solche Überzeugung des Gerichts nicht einzustellen, denn es verbleibt auch nach der Beweisaufnahme die Möglichkeit, dass das Fahrzeug des Kläger aufgrund von Verschleiß zu Schaden kam.

Der normale, d. h. der nach Alter, Laufleistung und Qualitätsstufe nicht ungewöhnliche Verschleiß ist nicht als Sachmangel einzustufen, vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2020 – VIII ZR 150/18.

Der Zeuge P. hat in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung auf glaubhafte Weise angegeben, dass die Welle des Turboladers ausgeschlagen, d. h. beweglich war.

Der Sachverständige B. hat dieses erhöhte Spiel des Radiallagers in seinen Ausführungen allein aufgrund des ihm vorliegenden Akten- und Videomaterials – der Turbolader selbst konnte vom Kläger nicht mehr zur Begutachtung vorgelegt werden – bestätigt und schlüssig und überzeugend dargelegt, dass eine übermäßige Abnutzung des Radiallagers bzw. ein Abriss oder Abbruch der Welle hierfür die Ursache sein muss.

Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass die Abnutzung in aller Regel durch mit dem Öl zusammenhängende Aspekte, d. h. etwa der Viskosität oder im Ölkreislauf befindlichen Fremdkörper, zusammenhängt. Gleichzeitig sei jedoch eine gewisse Abnutzung grundsätzlich gegeben, da es beim Motorstart vor dem vollständigen Aufbau des Öldrucks um das Lager zu einer Mischreibung kommt. Der Grad der Abnutzung hängt dann wiederum vom individuellen Nutzungsprofil zusammen, etwa, wie hoch- oder niedrigtourig das Fahrzeug gefahren wird.

Darüber hinaus komme es im vorliegenden Turboladertyp offenbar zur Absetzung von Öhlkohle, was auf Dauer zu Verstopfungen und Verengungen führen könne. Dies schloss der Sachverständige aus dem Umstand, dass VW hierzu eine Information für Werkstätten zur Verfügung stellte, nach der in solchen Fällen die Ölvorlaufleitung „ab Werk“ durch eine solche mit Thermoschutz ersetzt werden solle, um höheren Temperaturen in der Leitung und damit der Kohlebildung vorzubeugen.

Zum im vorliegenden Fall konkret verwendeten Öl führte der Sachverständige aus, dass ein zwingender Rückschluss auf „falsches Öl“ als Ursache für den auf dem Video wahrnehmbaren Defekt des Turboladers – trotz der geringen zeitlichen Überschreitungen der Wartungsintervalle – nicht gezogen werden könne.

Die Ausführungen des Sachverständigen unter Beiziehung der von diesem vorbereiteten Dokumentation waren von beachtlicher Tiefe, beachtlichem Detailgrad und auch wegen der präzisen und schlüssigen Darlegungen und Herleitungen des Sachverständigen für das Gericht überzeugend. Danach bleibt auch unter Berücksichtigung der Laufleistung und des Alters des Fahrzeugs hier die Möglichkeit, dass der hier streitgegenständliche Turbolader aufgrund von Verschleiß defekt war.

 

c.

Der Turbolader selbst konnte vom Kläger nicht mehr vorgelegt werden, sodass dem Beweisangebot zur sachverständigen Untersuchung des Turboladers nicht nachgegangen werden konnte.

 

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.662,30 EUR festgesetzt.