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ProViDa 2000, Beschluss OLG

ProViDa 2000 -Allgemeines:

Das ProViDa 2000 – Messsystem ist ein solches, welches häufig beim Nachfahren bzw. Hinterherfahren bei der Ermittlung von Geschwindigkeitsübertretungen zum Einsatz kommt.

Rechtsanwalt Reissenberger hat auf dieser Seite bereits zahlreiche eigene Entscheidungen zum Thema Nachfahren durch Polizeifahrzeuge bspw. des Oberlandesgerichts Hamm, des  Oberlandesgerichts Düsseldorf  sowie des Amtsgerichts Dortmund veröffentlicht. Es gibt insoweit Situationen, bei denen die Geschwindigkeit ohne technisches Messsystem ermittelt wird. Insoweit wird auf beiliegende weitere Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm verwiesen. Dann gibt es die Situationen, bei welchen das Messgerät ProViDa 2000 zum Einsatz kommt. Insoweit werden grundsätzlich vier Betriebsarten unterschieden, nämlich 

-„AUTO 1“, bei welcher die Geschwindigkeitsberechnung mit stehendem Fahrzeug durch Zeitmessung bei voreingestellter Wegstrecke erfolgt,

-„AUTO 2“, bei welcher die Geschwindigkeitsmessung während der Fahrt durch Zeitmessung bei voreingestellter Wegstrecke erfolgt, 

-„MAN“, bei welcher die Geschwindigkeitsmessung während der Fahrt durch Zeit- und Wegstreckenmessung erfolgt, und schließlich 

-„SPLIT“, bei welcher die Geschwindigkeitsmessung während der Fahrt durch Zeit- und Wegstreckenmessung wie bei der Betriebsart „MAN“ erfolgt, hier jedoch nicht neu gestartet werden muss.

Das ProViDa 2000 – Messsystem ist somit flexibel und variabel, was einerseits ein Vorteil aber auch zugleich ein Nachteil dieses Messgerätes ist, denn die Variabilität führt zeitgleich auch zu einer Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit, die im nachstehenden Fall dem Betroffenen zum Vorteil gereichte. So ist es, wie das Oberlandesgericht Hamm ausführte, bei der Messmethode ProViDa 2000 „AUTO 2“ als Messfehler anzusehen, wenn der Abstand sich zwischen den Pkw, also zwischen dem verfolgenden Polizeifahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug, verringert, wohingegen dies bei der Messmethode ProViDa 2000 „MAN“ gleichgültig ist. Herausgearbeitet werden muss daher sowohl von den Beamten, für die der Fall bei der Anhörung im Gerichtstermin im Regelfall mehrere Monate wenn nicht auch schon über ein Jahr zurückliegt, als auch von dem Gericht, welche Betriebsart des Messgerätes ProViDa 2000 konkret zum Einsatz gekommen ist und ob insoweit Messfehler vorlagen. Hier eröffnen sich für den Betroffenen, gerade bei einer Nachtfahrt, zahlreiche Möglichkeiten.

 

ProViDa 2000 -zum Urteil:

Im nachstehenden Urteil hatte das Oberlandesgericht Hamm erkannt, dass das Amtsgericht Dortmund die verschiedenen Möglichkeiten des Messgerätes ProViDa 2000 in seinem eigenen Urteil durcheinander brachte und daher dem Einwand von Rechtsanwalt Reissenberger in der mündlichen Verhandlung bei seinem Beweisantrag, dass ein Messfehler schon deshalb vorliege, weil sich der Abstand während der Messung zwischen den Pkw verringert habe, zu Unrecht nicht nachgegangen ist. Das Amtsgericht Dortmund verwechselte konkret die Betriebsart ProViDa 2000 „MAN“ mit der Betriebsart ProViDa 2000 „AUTO 2“.

 

ProViDa 2000 -das Urteil:

OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

111-1 RBs 100/22 OLG Hamm
6 Ss OWi 483/22 GStA Hamm
724 OWi 519/21 AG Dortmund
260 Js-OWi 1813/21 StA Dortmund
Bußgeldsache

g e g e n …,

geboren am … in Dortmund, 

wohnhaft … Dortmund,

Verteidiger: Rechtsanwalt Reissenberger in Dortmund, 

w e g e n Verkehrsordnungswidrigkeit

 

 

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 26. Januar 2022 gegen das 

Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 24. Januar 2022

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05. Juli 2022 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … 

als Einzelrichter gem. § 80 a Abs. 1 OWiG

nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Betroffenen 

und seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur erneuten

Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens

an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.

 

 

Gründe:

I. (Tatbestand-ProViDa 2000):

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Dortmund gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße i. H. v. 160 € festgesetzt und darüberhinaus ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war der Betroffene am 07. Juli 2021 um 13:03 Uhr auf der L 663n bei einer angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h mittels eines Messgerätes ProViDa 2000 Modular im Messmodus „Manuell“ durch Nachfahren mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 112 km/h festgestellt worden.

Zur konkreten Art der durchgeführten Messung hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt: 

„Bei der von den Beamten verwendeten Messart stellt es sich so dar, dass die Beamten bei Passieren eines bestimmten Messpunktes, den der Betroffene selbst passiert hat, die Geschwindigkeitsmessung einschalten und hinter dem Betroffenen herfahren und bei Passieren eines weiteren Punktes die Geschwindigkeitsmessung ausschalten“. 

Die durch das Gerät selbstständig ermittelte Durchschnittsgeschwindigkeit habe sich ausweislich der Videoaufzeichnung auf 118,82 km/h belaufen.

An anderer Stelle heißt es unter Bezugnahme auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag der Verteidigung: 

„Bei der manuellen Messung ist es schließlich nicht erforderlich, dass im gleichbleibenden Abstand zwischen Einsatz- und Tatfahrzeug gefahren wird. Dass die Geschwindigkeit relativ gleichbleibend bleibt, ist weder von Vorteil noch von Nachteil bei dieser Art der Messung“.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. 

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

 

II. (Beschlussgründe-ProViDa 2000):

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat – zumindest vorläufig – Erfolg, da die Ausführungen des Amtsgerichts zur Art der vorgenommenen Messung im Rahmen der Beweiswürdigung widersprüchlich sind und dem Rechtsbeschwerdegericht eine abschließende Überprüfung der Richtigkeit der vorgenommenen Messung auf Grundlage der Urteilsgründe nicht möglich ist. Nach den mitgeteilten Urteilsgründen erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Vorsitzende die unterschiedlichen Messverfahren des Messgerätes ProViDa 2000 Modular verwechselt und dementsprechend

ihrer Bewertung ein tatsächlich nicht zur Anwendung gekommenes Messverfahren zugrunde gelegt hat.

Nach der senatsbekannten und dem Senat dementsprechend im Rahmen der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zugänglichen Gebrauchsanweisung für das Messgerät ProViDa 2000 Modular, verhält es sich im Rahmen der Betriebsart „Manuell“ entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts gerade nicht dergestalt, „dass die Beamten bei Passieren eines bestimmten Messpunktes, den der Betroffene selbst passiert hat, die Geschwindigkeitsmessung einschalten und hinter dem Betroffenen herfahren und bei Passieren eines weiteren Punktes die Geschwindigkeitsmessung ausschalten“.

Tatsächlicher folgt die Messung im Betrieb „Manuell“ nicht in der Form eines (einmaligen) Einschaltens einer Geschwindigkeitsmessung und einem später nachfolgenden (einmaligen) Ausschalten der Messung. Vielmehr werden bei dieser Betriebsart die Messungen von Wegstrecke und Zeit nicht simultan, sondern getrennt gestartet und gestoppt; erforderlich sind insgesamt vier Tastenbetätigungen, und zwar das Starten der Zeitmessung, wenn das Tatfahrzeug die erste Markierung erreicht hat, das Starten der Wegstreckenmessung, sobald das Einsatzfahrzeug die erste Markierung erreicht hat, das Beenden der Zeitmessung, wenn das Tatfahrzeug die zweite Markierung erreicht hat, sowie das Beenden der Wegstreckenmessung, sobald das Einsatzfahrzeug die zweite Markierung erreicht hat. Bei dieser Art der Messung ist es (entsprechend den Ausführungen des Amtsgerichts) tatsächlich nicht erforderlich, dass ein gleichbleibender Abstand zwischen dem Tatfahrzeug und dem Einsatzfahrzeug eingehalten wird.

Bei der seitens des Amtsgerichts beschriebenen Messmethode, bei welcher die Geschwindigkeitsmessung eingeschaltet wird, wenn der Betroffene einem bestimmten Messpunkt passiert hat, und die Messung bei Passieren eines weiteren Punktes (bzw. nach einer bestimmten Wegstrecke) beendet wird, handelt es sich vielmehr tatsächlich um den Betriebsmodus „AUTO 2“, bei welchem indes ausweislich der Gebrauchsanleitung für den Nachweis des ordnungsgemäßen Ablaufs der Messung „eindeutig erkennbar sein“ muss, „dass sich der Abstand zum Vorausfahrenden Tatfahrzeug zwischen Beginn und Ende der Messung nicht verringert hat“.

In Anbetracht der aufgezeigten Widersprüche ist trotz der seitens des Amtsgerichts erfolgten Angabe „Manuell“ nicht hinreichend deutlich erkennbar, welches Messverfahren tatsächlich zur Anwendung gekommen ist. Dies führt wegen der daraus folgenden mangelnden Überprüfbarkeit der Richtigkeit der Messung durch das Rechtsbeschwerdegericht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Amtsgerichts wird für die erneute Hauptverhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO lediglich auf Einzelheiten von bei den Akten befindlichen Abbildungen, nicht jedoch auf Videoaufzeichnungen auf einem elektronischen Speichermedium als solche Bezug genommen werden kann (BGH, Urteil vom 02. November 2011 -2 StR 332/11 -, juris, Rdnr. 15).